„Wir sind alle eins! Und miteinander verbunden!“ Kann man aus so einer Haltung heraus Grenzen setzen? Ist sowas in all der ach so spirituellen Wir-sind-alle-Eins-Szene überhaupt gefragt? Spoiler: Ja. Ich möchte sagen: Da sogar erst recht! Natürlich ist es toll, ein unbeschränktes Geistwesen zu sein und das erkannt zu haben. Aber wer an diese Konzepte glaubt, kann sich dabei selbst verlieren. Schnell passiert das mit dem Körper: „Sooooo unangenehm, dieser schwere materielle Fleischanzug in der tiefschwingenden 3D-Welt!11!!!“, seufzt ein Seelchen auf dieser Welt. Immer. Irgendwo.
Warum sind die beiden so wichtig – der Körper und die Grenzen? Ganz einfach: Weil diese mitunter wortwörtlich schweren Komponenten die hochsensiblen und noch höher schwingenden Seelen erden. Und auch auf dem Boden der Tatsachen behalten oder zurückholen. Wer will hier schon abheben?
Kannst du gut Grenzen setzen?
Kennst du deine Grenzen? Ich meine nur sosolala, ich lerne sie erst richtig kennen. Die längste Zeit fand ich Grenzen setzen regelrecht böse: Als Kind war für mich „seine Grenzen setzen“ etwas Schlimmes. Macht man nicht, dann wird man nur weniger lieb gehabt. Und zack, da war das Muster da!
Hintergrund: Meine Schwester sitzt im Rollstuhl, und ich bekam deutlich mit, wieviel meine Mutter alleine schon damit zu tun hatte – die körperliche Pflege, die ganze Organisation! Also wollte ich möglichst wenig Aufwand machen. Dazu gehörte es auch, nicht zu klagen, wenn meine eigenen Grenzen überschritten wurden: zum Beispiel, wenn ich beim Zöpfeflechten gefühlt skalpiert wurde.
Zum Glück war ich durchaus auch ein kleiner Wildfang, der viel draußen herumtobte – gut, weil das den strammen Zopf schnell lockerte oder gar löste – und anderen Kindern die Meinung geigte. Hätte ich mich immer und überall zurückgehalten, wäre ich vermutlich explodiert. Aber so glichen sich Einstecken und Austeilen aus, und ich hielt regelmäßige Grenzüberschreitungen von Erwachsenen oder anderen Kindern, die mir physisch überlegen wirkten, aus. Sofern ich aus meiner Kompensation heraus noch zierlich-zartere Kinder traumatisiert haben sollte: I’m so sorry!
Da sieht man schon, dass es mit Ausgleichen alleine nicht getan ist: Es erfordert viel Aufwand und Energie und kann wiederum die Grenzen anderer überschreiten, sofern sich die nicht wehren …
Grenzen sind eine körperliche Sache
Die eigene Grenze ist rein physisch betrachtet erst einmal ganz simpel die Haut: Hier endet ein Körper, und da geht die Umwelt los.
Wer die eigenen Grenzen spüren will, muss sich auf seinen Körper einlassen.
Die meiste Zeit meine Lebens spielte mein Körper eine absolut untergeordnete Rolle. Ich machte mir keine großen Gedanken über ihn. Bis ich ihn als Teenager sogar zu verachten begann, weil er nicht so wurde, wie ich es gerne gehabt hätte. Ich sah aus wie Kate Moss, die damals schwer angesagt war, wäre aber lieber nach Laetitia Casta geraten. Das Problem umging ich damit, indem ich mich einfach möglichst wenig um meinen Körper scherte. Dann war ich eben klug und so.
Als ich mit 15 mit esoterischen Themen in Berührung kam, ging es noch einfacher, den Körper aus meinem Bewusstsein zu verbannen: Nun lag der Fokus auf dem Geistigen, der Seele, dem Unsichtbaren. Mein spirituelles Ego flog hoch, hoch, hoch und ließ das Physische einfach links liegen.
Eine typische Spiri-Falle?
Die Aversion des Physischen oder zumindest eine gewisse Arroganz ihr gegenüber ist nicht selten ein Ausdruck einer unreifen, einseitigen, schlimmstenfalls sogar bewusst missverstandenen Spiritualität. Religiöse Dogmen tun ihres dazu: In welcher Religion wird der Körper schon wirklich wertgeschätzt?
Auch in der eigentlich (?) undogmatischeren Esoterik-Szene bekommt der Körper oft die letzte Priorität eingeräumt: Iiih, ist ja nur Fleisch, das eines Tages stirbt! Der Geist, die Seele, DAS sind doch die wesentlichen Aspekte! Oder etwa nicht?
Wie könnten wir unsere Erfahrung hier machen, wenn eben nicht im Körper?
Der Körper, das Physische, Irdische, vermeintlich Banale und hardcore Sinnliche sind sooo wichtig! Ohne all das wären wir gar nicht erst hier. Ohne einen Körper macht die Inkarnation, das ins-Fleisch-gehen überhaupt keinen Sinn. Und unser Körper ist auch alles andere als unspirituell. Er gehört untrennbar zur göttlichen Dreiheit, zur Triada. Wie viel der Körper weiß, zeigt zum Beispiel die Kinesiologie. Und auch wenn du nach einem Essen, das dir eigentlich gemundet hat, schnell kotzen musst, hat dein Körper hundertmal schneller als du kapiert, dass etwas schlecht war.
Lerne, deinen Körper (wieder) wertzuschätzen!
Wenn du ein Gefühl für deine Grenzen bekommen willst, wirst du nicht darum herumkommen, dich (wieder mehr) auf deinen Körper zu besinnen.
Widme dich ihm mal wieder achtsam! Wie geil ist es bitte, was dein Körper alles kann und ständig macht? Atmen! Verdauen!! Das ganze vegetative Nervensystem wuselt ständig vor sich hin und macht dabei einen super Job. Die ganze Zeit reguliert sich dein Körper selbst, baut Zellen ab und auf. Mach dir das bewusst und schätze deinen Körper, gib ihm ganz viel Liebe. Du findest schon deinen Weg, wie du ihm deine Achtsamkeit zeigen willst. Für mich ist es nun das bewusste Eincremen – früher habe ich die Bodylotion einfach raufgeklatscht und ratzfatz verrieben. Jetzt ist es ein ganz bewusstes, möglichst tägliches Sich-Zeit-für-mich-nehmen. Vorteil: Das macht auch wunderbar streichelzarte Haut und somit nochmal mehr Freude, sich im eigenen Körper zu fühlen!
Wenn du erst einmal damit anfängst, führt ein Schritt zum anderen. Auf einmal ist da die Lust nach mehr Bewegung, ja sogar Sport; nach gesundem Essen; nach regelmäßiger Meditation …
Warum Grenzen setzen sooo wichtig ist
Früher habe ich die Kraft von Grenzen komplett verkannt: „Ich will mich doch nicht selbst einschränken, da verbaue ich mir doch nur selbst ganz viel!“ Und anderen will ich auch nach Möglichkeit keine Grenzen setzen, sonst mögen die mich nicht mehr …
Wer nie Grenzen setzt, verspielt damit den Respekt. Wenn man es nie macht, sind die Chancen extrem hoch, dass dich andere respektlos behandeln. Weil du sie es ja machen lässt. Deine offenen Grenzen laden solche Menschen geradezu ein! Ich habe es zum Glück nie so doll erlebt, weil ich mich durchaus wehren kann. In der Schule damals und jetzt im Berufsleben auf jeden Fall! Aber privat … ach, frag lieber nicht.
Wie wichtig Grenzen setzen ist, merkst du spätestens dann, wenn du ausbrennst, weil du dir selbst permanent zuviel zugemutet hast. Kannst du gut „Nein“ sagen?
Und spätestens als (hoch-)sensible Person bist du gleich mehrfach gearscht, weil du Fremdenergien immer spüren wirst, die du im Lauf der Zeit angesammelt hast und täglich um die Ohren gehauen bekommst.
Erst wer seine Grenzen kennt, kann seine eigene Kraft wirklich spüren
Auf YouTube ist die Kerzen-Meditation von Aaron Daughty einer DER Tipps zum Thema Grenzen setzen. Er spricht generell oft davon, wie wichtig das ist. Weil es eben auch lange sein Thema war. Seine Videos werden daher leider irgendwann ziemlich redundant; andererseits ist es wohl auch wichtig genug, es immer wieder anzusprechen …
Es hat daher einige Zeit gebraucht, bis ich mich auf die Kerzen-Meditation eingelassen habe. Als ich es das erste Mal tat, staunte ich nicht schlecht: In der Konzentration auf die Kerze und mich als separates Wesen hatte ich zum ersten Mal das Gefühl dafür, wo sich meine Energie befindet. Und damit auch, wie sie sich überhaupt anfühlt. Wow!
Wie willst du deine Energie wahrnehmen, wenn du ihre Grenzen nicht kennst?
Wie soll ich meine Energie auch spüren, wenn ich a) nicht weiß, wo sie ist und b) sie ständig mit anderen mische? Auch wenn ich ein theoretisch grenzenloses energetisches Wesen bin, so ist das in der Praxis aktuell doch wenig erfahrbar. So weit entwickelt bin ich jedenfalls noch nicht, dass ich 24/7 im All-Eins-Sein aufgehe. Da ist es doch sinnvoller, erst einmal zu spüren, wer ich selbst wirklich bin.
Da ich bei Aarons Kerzen-Meditation Probleme hatte, den Fokus zu halten – ich kann nämlich nur schlecht mit offenen Augen meditieren –, habe ich diese Meditation abgewandelt und mit einem passenden Mantra bespielt.
Meditation, um die eigenen Grenzen zu erkennen
- Mache es dir in deiner gewohnten Meditationshaltung bequem. Finde dich ein, atme, spüre die Unterlage unter deinem Popo … kennst du ja alles 🙂
- Wenn du die Augen anfangs geöffnet lassen kannst, lass sie offen; ansonsten öffne sie, wenn du in einem ruhigen Zustand angekommen bist. Blicke auf einen Gegenstand vor dir. Das kann alles sein, von einer Kerze, Pflanze oder schlichtweg auch einem Kissen. Oder nimm deine Katze.
- Konzentriere dich auf dein Gegenüber und spüre die Trennung. Wenn du besser fühlen kannst, indem du die Augen schließt: Mach sie zu. Fühle die Trennung weiterhin.
- Unterstütze nun diese Trennung von dir und deinem Gegenüber, indem du dir sagst (gedanklich oder laut): „Ich bin ich, und du bist du.“ (Hier darf sich der Esel ruhig mal selbst zuerst nennen! Es geht ja immerhin um dich! Abgesehen davon sind Esel zuckersüß …)
- Wenn du die Trennung deutlich spürst, fühle hinein, was das für deine eigene energetische Grenze bedeutet: Wie weit geht sie? Wie fest ist sie? Und, vor allem: Wie fühlt sich deine Energie innerhalb dieser Begrenzung an?
- Staune und genieße!
- Bedanke dich am Schluss bei dir selbst, lege die Hände auf dein Herzchacra, verbeuge dich Richtung Mutter Erde … du hast da schon deine Art und Weise, wie du es richtig machst.
Mach diese Meditation am besten täglich. Optimal wäre morgens und abends, damit sich das Gefühl für die eigenen Grenzen und Energie zur Gewohnheit einstellt.
Grenzen setzen – so geht es immer und überall!
Das Praktische: Da die Kerze bei dieser Meditation wegfällt, kann man sie immer und überall machen! Egal, ob man nun ein lebendiges Gegenüber hat oder nicht. Mit Kerze ist es insofern schön(er), weil sie einem das eigene Licht widerspiegelt. Du siehst dich in ihr in Miniaturform selbst. Du kannst diese Übung dann auch direkt im Live-Kontakt mit anderen machen, vielleicht lässt du dann aber lieber dabei die Augen offen 😉
Spannend ist zweifelsohne, wie sich dieses Bewusstsein für die eigene Kraft und Grenzen in deinem Alltag auswirkt. Denn unbemerkt bleibt so eine Veränderung in der Wahrnehmung natürlich nicht lange!
Willst du diese Meditation mal ausprobieren? Berichte gerne in den Kommentaren – hier, auf Facebook oder Insta!